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Gemeinde/Sehenswertes/Molkerei
Geschichte der Molkerei von Groß Grenz
Als einige Jahre nach dem Deutsch - Französischen Krieg
(1870/71), der Außenhandel floriert und auch Gewinne in
die ländlichen Regionen fließen, geben umliegende
Bauern und die Domänenpächter entsprechendes Geld
in eine Genossenschaftskasse und lassen damit Gebäude und
Anlagen nach neuem Technischen Standart errichten.
Die Molkerei von Groß Grenz wurde 1891 errichtet und in
den Folgejahren weiter ausgebaut. Um 1910 wurde das Treppenhaus
angebaut, die alte Innentreppe verschwand. Der Kellerzugang
war nun wettergeschützt, der Aufstieg zur Wohnung und in
den Dachraum wurden unabhängig voneinander möglich.
Ob es sich um veränderte Hygiene- oder Fluchtwegevorschriften
handelte und was noch verändert wurde, ist schwer zu sagen.
Mit den Autarkiebestrebungen der NS-Zeit veränderte sich
kaum etwas. Der II. Weltkrieg kam und die arbeitsfähigen
Männer gingen. Nach dem Krieg wohnten im Dachgeschoss,
hinter Bretterverschlägen mit je einem „Kanonenofen“,
ein paar Flüchtlinge (die Verschläge wurden später
als zusätzliche Kinderzimmer nachgenutzt). Das Gebäude
und die technischen Anlagen hielten ohne Modernisierungen noch
jahrelang durch.
Die Molkerei lief bis zur Stillegung in den 50iger Jahren des
20Jh. unverändert weiter. In der letzten Phase war sie
dann nur noch Milchsammelstelle. Ab 1960 gab es die LPG (die
Hofwirtschaften verschwanden) und die großen Molkereien
in Bützow und Rostocker waren entstanden und übernahmen
die Verarbeitung viel größerer Milchmengen.
Die Molkerei von Groß Grenz hatte ausgedient und wurde
1962 völlig entkernt, und zur Gaststätte und Feldarbeiterversorgung
umgebaut (Reste der Vorgeschichte sind unter den Fußböden
noch erhalten). Sie diente nachfolgend als Versammlungsraum,
für Dorffeste, enthielt eine Zeit lang die Poststelle und
wurde schließlich nur noch im Obergeschoss bewohnt.
Im Obergeschoss wohnte seit 1891 stets der jeweilige Betreiber
oder Pächter mit seiner Familie. Das gesamte Erdgeschoss,
inklusive Hallenanbau, enthielt die technischen Anlagen zur
Milchtrennung, Butter – und Käsebereitung. Das Gebäude
war dem natürlichen Umfeld in der Ausrichtung und Funktionsverteilung
angepasst. Zwei Tiefbrunnen, direkt am Gebäude gelegen,
zogen Frischwasser aus Bereichen unter dem Kiesberg. Die Pumpen
drückten das Wasser bis in einen großen Druck- und
Vorrats - Behälter im Dachraum (bleibt erhalten), so dass
es jederzeit reichlich fließendes Wasser im gesamten Gebäude
gab.
Der hintere, nördliche Bereich des Hallenanbaus, also die
kälteste Seite des Gebäudes, enthielt den Eisraum
und daneben das Butterlager (für die Kinder auch das Speiseeis).
Die Wände sind hier bis zu einem Meter dick, enthalten
zwei Luftschichten, und waren mit einer dicken Korkisolierung
ausgekleidet. Auf Innenwandflächen des Eisraumes liefen
Wasserrohre in Schlängellinie entlang, sie dienten der
Kühlung nebenliegender Räume im Sommer. Von der Rückseite
gab es eine Öffnung zum einschieben, der im Teich oder
in der Beke geschnittenen Eisblöcke.
Die Fuhrwerke der Bauern hielten direkt an der Rampe der Südseite,
die bis zur Höhe der Wagenpritsche reichte. Die Milchkannen
wurden vom Wagen durch die Tür ins Innere des Gebäudes
gedreht. Dort gab es auch eine Rampe, von der die Kannen mit
hohen Handwagen an die großen gemauerten Becken und Kessel
gefahren werden konnten.
Die ursprüngliche Raumhöhe betrug 4m, unter der „preußischen“
Kappendecke liefen die Wellen und Räder des Transmissions-
Antriebes und die Wasserleitungen, die hohen Fenster hatten
Stahlgittersprossen, die Wände waren weiß gefliest,
der Fußboden mit roten und weißen Industriefliesen
ausgelegt.
Eine Lokomobile stand in der westlichen Halle und vor der Halle
der Schornstein in 1m Abstand. Er wurde 1962 abgebrochen. Die
alte Rauchöffnung lässt sich noch als Bogenansatz
neben dem heutigen Eingang der Westseite erkennen, der Ascheschacht
ist im Fundamentbereich zu finden. Die Lokomobile trieb die
Transmission an, darüber die Buttermaschinen etc., die
hauseigenen Pumpen und gab zudem Betriebswärme in die Räume
ab.
Die Betreiber oder Pächter waren Selbstversorder. Zu diesem
Zweck stand bis 1998 ein gemauertes Stallgebäude nordöstlich
neben dem Treppenanbau. Von der Molke ließen sich gut
ein paar Schweine mitfüttern. Im Dachraum gab es eine Räucherkammer
(zentral zwischen den Schornsteinen eingebaut), nördlich
hinter dem Haus befand sich der Garten mit alten Obstbäumen,
und was sonst noch nötig war, ließ sich eintauschen.
Um das Gebäude gab es keine befestigten Straßen,
der Weg war meist aufgewühlter Lehm. Nur direkt an der
Rampe, vor den hofseitigen Eingängen sowie der Bereich
zwischen Stall und Treppenhaus waren mit Kleinsteinpflasterung
befestigt. Vor dem ehemaligen Stallbereich ist die leicht eingesenkte,
gepflasterte Abwasserrinne noch gut erkennbar. Das Molkewasser
lief z.T. in den Dorfteich gegenüber, und wie die Stallabwässer
in einem Gaben den Berg runter zur Beke (beliebter Platz für
Angler).
Auf der Westseite stand noch in einiger Entfernung eine höhere
Holzscheune, wohl für Brennmaterial. Nach 1938 wurde das
straßenseitig verlängerte Schleppdach der Halle mit
Klinkern untermauert, dieser Bereich diente fortan als zusätzlicher
Kohlenspeicher (Wochenvorrat). Einige Brikettstücke befinden
sich noch heute im Sand davor. Die Pflasterung vor der Rampe
lag übrigens auf einer festen Schicht Steinkohleschlacke.
Mit dem Verschwinden der DDR 1989 mussten sich die Menschen
an völlig veränderte politische und wirtschaftliche
Bedingungen anpassen. Es verging Zeit, Städter zogen in
die umliegenden Dörfer, bauten Wohnhäuser oder sanierten
alte Höfe. Es wurde ein junger Bürgermeister gewählt
und die Molkerei von einem „Berliner“ gekauft.
Im Jahr 2000 hatte auch für Groß Grenz die neue Zeit
schon begonnen, überall wurde gebaut, renoviert und restauriert.
Es entstand das „Atelier im Milchhaus“, ein offenes
Projekt, zu dem sich Leihen, Künstler und Ästheten
treffen, wo Kurse und Workshops stattfinden und manch andere
Idee zur Wirklichkeit wird. Schauen Sie ruhig mal rein...
T. Lange
Groß Grenz, den 12. März 2005
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Das Milchhaus
Die Molkerei vor dem Umbau/ Entkernung 1960
Vor der Restaurierung 2000
Vor der Restaurierung 2000 |
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